Sanierung von Feldsteinpflasterstraßen
Unsere historischen Feldsteinpflasterstraßen sind zum Teil 100 Jahre und mehr alt.
Nicht immer kann man das genaue Alter ermitteln, wenn entsprechende Unterlagen und
Aufzeichnungen fehlen.
von Claus-Peter
Spuhn
08. Januar
2008
Expertenhearing am 01.November 2006 im MIR
Das Forum Natursteinpflaster ist ein gemeinnütziger Bildungsverein und überregional tätig. Er wurde am 22. November 2003 mit 14 Gründungsmitgliedern gegründet.
Heute sind wir 40 Mitglieder, bestehend aus Verwaltungsmitarbeitern, Planungsbüros, Bauunternehmen, Einrichtungen der Berufsbildung in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern und weitere Interessierte.
Das Ziel des Vereins ist es, Wissen zum behutsamen Umgang mit kulturhistorisch bedeutsamen Pflasterstraßen, Wege, Plätze und Flächen aus Natursteinmaterial zu vermitteln und den Erhalt
traditioneller Bauweisen mit Natursteinpflaster als Handwerkskunst zu fördern.
Wir setzen uns für eine hohe fachliche Qualität in der Planung, Ausschreibung und Ausführung dieser Leistungen ein.
Es wird eine Beschränkung von Pflasterstrassen entsprechend der RStO 01 bis Bauklasse III als nicht gerechtfertigt angesehen.
Im Rahmen unserer Zielsetzung führen wir jährlich Fachseminare zur fachgerechten Planung, Ausschreibung und Ausführung von Natursteinpflasterflächen durch. Dazu gehören auch gemeinsame Veranstaltungen mit überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen.
Seit 2 Jahren gibt es eine Wanderausstellung, die über die Geschichte und die Bedeutung der Pflasterstraßen als Bestandteil unserer Kulturlandschaft informiert. Zur Zeit befindet sich die Ausstellung im Bürgerhaus in Joachimsthal bis Ende November dieses Jahres.
Das Thema Natursteinpflaster berührt viele Bereiche. Dazu gehören die Bereiche Landschaftspflege, Naturschutz, Tourismus, Verkehrliche Infrastruktur, Denkmalschutz, Aus- und Weiterbildung und Wirtschaft werden Sie in den einzelnen Themenkomplexen wieder finden.
Themenkomplexe:
Neue Forschungsergebnisse aus der Ruhr-Universität Bochum
Die Zeitschrift Straße + Verkehr Nr. 6/2004 des FGSV veröffentlichte unter dem Titel "Auswertung einer Erfahrungssammlung über Pflasterdecken in Ortsdurchfahrten" Ergebnisse einer Untersuchung des Jahres 2003 Die Autoren sind Prof. Dr.-Ing. K.Krass und Dipl.-Ing. S.Schnell vom Institut für Straßenwesen und Eisenbahnbau.
Ausgangspunkt sind die RStO 01 und das "Allgemeine Rundschreiben Straßenbau (ARS) Nr. 34/2001". Darin wird u.a. festgestellt, dass der Bau von Pflasterdecken bei Bundesstraßen für Ortsdurchfahrten auszuschließen ist. Begründet wurde der Ausschluß mit Unwirtschaftlichkeit und mangelnder Dauerhaftigkeit.
Es sind Fragebogen erstellt, die an Tiefbauämter von Städten über 50 000 EW, an Straßenbauämter und Landesstraßenbauverwaltungen verschickt wurden.
Darin wurde gezielt nach den Erfahrungen, den Zustand und die Bauweise von Ortsdurchfahrten der Bauklasse III oder IV gefragt.
Insgesamt wurden 253 Pflasterdecken in Ortsdurchfahrten genannt und ausgewertet. Darin waren Pflasterdecken aus den Jahren zwischen 1914 und 1997 erfaßt.
Der Anteil der Landes- und Kreisstraßen betrug ca.85 %, der Rest waren Bundes- und Gemeindestraßen sowie keine Angaben.
Die Hälfte der Ortsdurchfahrten ist in Natursteinpflaster ausgeführt.
Als Fazit wurde herausgearbeitet, dass Mängel bzw. Schäden an den erfassten Strassen durch Nichtbeachten der Regelwerke, falsches Fugen- und Bettungsmaterial aber auch Lärm und Unterhaltungsaufwand
die Ursachen darstellen.
Es wird eine Beschränkung von Pflasterstrassen entsprechend der RStO 01 bis Bauklasse III als nicht gerechtfertigt angesehen.
Die Schlussfolgerung der Verfasser begrüßen wir sehr. Geben diese uns doch belegbare Argumente dafür, dass auch bei viel befahrenen Ortsdurchfahrten eine fachgerechte Pflasterung mit
Natursteinpflaster möglich ist. Deshalb unterstützen wir die Absicht, diese Ergebnisse auch in die Regelwerke einzubringen.
Wir haben, auch ohne diese Untersuchungen, keine Zweifel gehegt, dass für alle Belastungen und Verkehrsströme Natursteinpflaster verwendet werden kann.
Dafür ist die fachgerechte Planung, Ausschreibung und Ausführung jedoch eine unabdingbare Voraussetzung.
Nach unseren Kenntnissen ist vorwiegend Granit- und Basaltpflaster verwendet worden. Das Material mit einer Druckfestigkeit von in der Regel über 150 N/mm² wird durch die Lasteintragungen der
Fahrzeuge nicht zerstört. Es ist nicht das Natursteinpflaster, das zu Schäden und Mängeln führt, sondern es sind Planungs- und Ausführungsfehler sowie mangelnde Erfahrungen.
Die Lasteintragung eines Fahrzeuges auf das Pflaster mit einer Radlast von 5.000 kg beträgt ~ 8 kg/ cm², d.e. 0,8 N/mm². Zum Beispiel wird die Last eines Rades über 4 Großpflastersteine 16*16 cm
Oberfläche auf die Tragschicht übertragen. Dadurch entsteht ein Lasteintrag von ~ 5 kg/cm², d.e. 0,5 N/mm².
Bei einem gleichem Fahrzeug und unter gleichen Bedingungen entstehen in der Fuge horizontale Kräfte von ~ 7 kg/cm². Diese Kräfte kann das Fugenmaterial nicht aufnehmen, wenn man dazu bedenkt, das
durch die luftbereiften Räder das Fugenmaterial herausgesaugt wird und dadurch die Stabilität der Pflasterfläche leidet.
Hier muss unbedingt die horizontale Lastübertragung unmittelbar von Stein zu Stein erfolgen, damit die Fugen keine lastübertragende Funktion übernimmt. Dazu bedarf es eines entsprechenden
Steinmaterials, dass eine möglichst enge Fuge zulässt, aber andererseits auch die Lastübertragung von Stein zu Stein ermöglicht.
Als Alternative kann natürlich auf eine gebundene Pflasterbauweise ausgewichen werden. Aber bekanntlich gibt es dann andere Probleme, z.B. die Auswirkungen von Spannungen betreffend.
Hier sollte sorgfältig abgewogen werden.
Wichtig ist aber, das nun endlich anerkannt wird, dass unter den heutigen Verkehrslasten und Verkehrsströmen auch eine Pflasterung in ungebundener Bauweise als eine mögliche Ausführungsart angesehen
wird.
Am 22.11.2003 hat sich in Prenzlau der Verein "Forum Natursteinpflaster" gegründet. Der Verein stellt sich die Aufgabe, Wissen über alte Pflasterstraßen und Neupflasterungen mit Naturstein zu vermitteln. Damit wollen wir die alte Pflasterkunst mit den heutigen Anforderungen an Neupflasterungen verbinden und das Handwerk fördern.
In Brandenburg und Mecklenburg/Vorpommern ist die Landschaft vielfach durch alte Pflasterstraßen geprägt. Sie sind der Ausdruck einer jahrhunderte alten Handwerkskunst - dem Pflastern.
Das Pflastern mit Feldsteinen ist in Norddeutschland eine typische Bauweise der vergangenen Jahrhunderte. Sie hat sich herausgebildet, als es darum ging, mehr Waren auf größer werdenden Fuhrwerken zu
transportieren. In den Städten war die Pflasterung eingeführt worden, um Staub und Dreck zu vermindern und um damit die hygienischen Bedingungen zu verbessern. Das vorherige Verlegen der Kanalisation
war oftmals, wie in Hamburg um 1840, mit dem Straßenbau verbunden.
Aber auch, um bei Regen und Schnee, im Herbst und Frühjahr mit den Fuhrwerken die Waren transportieren zu können.
Der Feldstein "lag vor der Tür" und war damit leicht zu gewinnen. Damit konnten lange Transportwege entfallen.
Zunächst wurden die unbearbeiteten Feldsteine zum Pflastern im 14.-15. Jhr. verwendet. Ab etwa dem 15. Jhr. begannen die Steinschläger den Feldstein zu schlagen. Der Feldstein hatte dann einen
ziemlich ebenen Kopf. Dadurch war das Befahren der Steinstraßen komfortabler geworden und die Schäden an den Fuhrwerken wurden geringer.
In Prenzlau wurde an der Stadtmauer in der Nähe des ehemaligen Warmbades im Jahr 2003 durch Archäologen eine Fläche freigelegt, die geschlagenes Feldsteinpflaster vermutlich aus dem Ende des 15. bis
Anfang des 16. Jhr. zeigt. Hier ist nicht nur der Kopf, sondern teilweise sind die Seiten geschlagen, damit die Steine einander besser Halt finden.
Diese Pflasterfläche ist freigehalten und kann besichtigt werden. Bis zum 19. Jahrhundert wurden nur vereinzelt Steinstraßen gebaut. Vor allem in den Städten, in denen der Handel sich entwickelte und
damit auch Geld in die Stadtkassen floss.
Bereits 1719 soll der große Markt in Wriezen gepflastert worden sein.
Es kann aber auch davon ausgegangen werden, dass sehr wichtige Handelsstraßen bereits gepflastert wurden.
In Brandenburg sind die Feldsteinpflasterstraßen überwiegend ab der 2. Hälfte des 19. Jhr. gebaut worden. Entlang der Autobahn Berlin-Stettin entstanden mit dem Bau dieser Autobahn 1936 noch
zahlreiche Feldsteinpflasterstraßen.
Viele dieser Straßen sind noch gut erhalten und verlangen höchsten Respekt gegenüber dem handwerklichen Können der Steinschläger und Pflasterer.
Deshalb ist es durchaus angemessen, wenn über den Erhalt einer Pflasterstraße oder den notwendigen Bau einer neuen Straße vorher nachgedacht wird. Eine jeweilige Einzelfallentscheidung muss in jedem
Fall erfolgen. Dabei sind aber die Interessen aller Beteiligten sehr sorgfältig abzuwägen.
Historisch wertvolle Pflasterstraßen sind als solche zu bewerten und zu erhalten.
Die große Vielfalt an Feldsteinpflasterstraßen in Brandenburg und Mecklenburg/Vorpommern ist in Deutschland einzigartig. Dieser prägende Bestandteil unserer Kulturlandschaft darf nicht leichtfertig
verspielt werden.
In vielen Städten wird heute im Zusammenhang mit Sanierungsmaßnahmen im historischen Stadtkern oder zur Aufwertung von Einkaufspassagen und Plätzen Naturstein eingesetzt.
Viele Städte haben die Langlebigkeit, Schönheit und Einzigartigkeit des Natursteins erkannt.
Aber ist auch das Pflastern als Handwerkskunst entsprechend beachtet worden?
Ja, in vielen Städten wurde und wird darauf geachtet. Hier sind zum Beispiel Wismar und Angermünde zu nennen.
Aber in einigen Städten sehen neue Pflasterflächen wie hingepflastert aus. Diesen Flächen fehlt jegliche Anbindung zur alten beschriebenen Pflasterkunst. Auch die fachliche Qualität muss hier
ernsthaft in Frage gestellt werden. Dabei kann man sich des Eindruckes einer gewissen Verantwortungslosigkeit oder Gleichgültigkeit der Verantwortlichen gegenüber den eingesetzten Mitteln nicht
verwehren.
Die Frage sei hier erlaubt, ob Sachverstand und fachliches und handwerkliches Können noch gefragt sind?
Gerade angesichts knapper Kassen ist auf eine hohe Qualität zu achten. Denn Natursteinpflaster ist langlebig und richtig und kunstvoll versetzt ist es eine Augenweide für Einheimische und
Besucher.
Oder wer will es seinen Bürgern zumuten, sich tagtäglich über eine verpfuschte Pflasterfläche zu ärgern, die er vielleicht selbst mit finanziert hat?
Der Verein Forum Natursteinpflaster fördert und unterstütz deshalb das Pflastern als Handwerkskunst und setzt sich für eine hohe fachliche Qualität in der Planung und Ausschreibung solcher
Leistungen ein.
Viele unserer Mitglieder verfügen über das erforderliche fachliche Wissen und Können. Dieses geben wir in Seminaren und im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit weiter.
Claus-Peter Spuhn
Februar 2004
Der Verein hat u.a. die Aufgabe über die Wissensvermittlung zu historisch bedeutsamen Pflasterstraßen- und Flächen Voraussetzungen zu schaffen, um diese vor ungerechtfertigten und nicht
fachgerechten Veränderungen oder dem Verschwinden zu bewahren.
Der Schutz solcher Straßen und Flächen ist nur sehr schwer mit allen Interessenten durchzusetzen. Zumal es an Kriterien fehlt, wie und wonach solche Straßen und Flächen beurteilt werden sollen.
Das sind Fragen, denen wir uns stellen und die beantwortet werden müssen, wenn wir nicht die Identität von Kulturlandschaften in Frage stellen wollen.
1. Allgemeine Kriterien
2. Einzelfallbetrachtung zur Historie
Das sind Kriterien, die sehr breit diskutiert werden sollten und mit sachlichen Argumenten hinterlegt werden müssen. Es soll ein Anfang sein, sich auch über historisch gewachsene handwerkliche
Kunst Gedanken zu machen und nicht nur achtlos darauf herum zu trampeln.
Um Erfolg in unserem Bemühen zu haben, bedarf es eines breiten Konsenses zwischen Verwaltungen, betreffenden oder betroffenden Bürgern, Baulastträgern, den Naturschutzbehörden, den
Denkmalschutzbehörden und Ministerien. Dabei dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass bei allen Entscheidungen auch hier der Mensch im Mittelpunkt steht und stehen muss. Es muss uns gelingen,
ausgewogene Entscheidungen herbeizuführen. Nur ein Interessenausgleich aller Beteiligten kann zu einem dauerhaften Kompromiss führen.
Claus-Peter Spuhn
Prenzlau, den 09.03.2004